Der Witz ist eine der schärfsten Waffen im rhetorischen Schlagabtausch. Humor kann in demokratischen Debatten entscheidende Akzente setzen. In den USA haben Pointen bereits über den Ausgang von Präsidentschaftswahlen entschieden.
Kein Wunder, dass die meisten US-Präsidenten mindestens einen Witzeschreiber in ihrem Redenschreiberteam beschäftigen. Mancher Präsident hat den Humor sogar zu einem zentralen Bestandteil seiner Kommunikationsstrategie gemacht.
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Das bekannteste Beispiel dafür war Ronald Reagan. Als der sich 1984 entschied, für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus zu kandidieren, war er bereits 72 Jahre alt. Sein Gegner, Walter Mondale, war 20 Jahre jünger. Es war klar, dass Mondale versuchen würde, das hohe Alter des Präsidenten zum Wahlkampfthema zu machen und die Eignung Reagans für das höchste Staatsamt infrage zu stellen.
Humor ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln
Der Amtsinhaber entschied sich, den Angriffen seines vergleichsweise jugendlichen Herausforderers nicht mit Argumenten zu begegnen, sondern mit einem Witz: Auf sein Alter angesprochen, sagte er bei einer Pressekonferenz, er habe sich entschieden, dieses Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Es sei nicht fair, wenn er aus der Jugend und der Unerfahrenheit seines Gegners Kapital schlagen würde, ließ Reagan die verblüfften Journalisten wissen.
Tatsächlich gelang es Reagan mit dieser Pointe, die Diskussion um sein Alter zu beenden. Dieser Witz mag weder besonders originell noch allzu komisch gewesen sein. Die Zeitschrift Newsweek schrieb später jedoch, der Gag habe den entscheidenden Ausschlag zum Sieg Reagans in dem Wahlkampf gegeben.
Doch nicht nur in den USA wissen Politiker um die Macht des Humors in der politischen Diskussion. Auch im Bundestag lassen sich mitunter Glanzstücke der humorvollen Rhetorik bewundern. 1979 hielt der damalige bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß eine Rede zur Staatsverschuldung. Darin warf er der amtierenden sozial-liberalen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt vor, die Finanzierung des Staates auf Pump sei aus dem Ruder gelaufen.
Um das Ausmaß der Verschuldung zu illustrieren, rechnete Strauß den Parlamentariern vor, wie hoch der Schuldenberg wäre, wenn man 1000-Mark-Scheine einzeln übereinander stapeln würde. Strauß kam auf eine Höhe von 3550 Metern.
Als sei das nicht anschaulich genug, berichtete Strauß nun, dass nach seinen Berechnungen der Stapel, würde er aus 100-Mark-Scheinen bestehen, sogar eine Höhe von 35 Kilometern erreichen würde. Dafür erntete er Applaus und schallendes Gelächter – nicht nur aus dem eigenen Lager.
Als Strauß vorrechnete, wie viele Güterwaggons nötig sein würden, um den Schuldenberg abzutransportieren, konnte sich auch der in der Rede angegriffene Bundeskanzler Schmidt vor Lachen kaum noch auf der Regierungsbank halten.
Abgesehen vom hohen Unterhaltungswert erreichte Strauß mit seiner Rede vor allem eines: ungeteilte Aufmerksamkeit. Nicht nur von Befürwortern, sondern auch von Gegnern seiner politischen Ansichten.
Humor kann in politischen Reden aus vielen verschiedenen Gründen eingesetzt werden. Am häufigsten jedoch geschieht es, um einen Redner sympathischer und menschlicher erscheinen zu lassen. Die Redenschreiber von Ronald Reagan nutzten Witze immer wieder, um den Präsidenten als einen bodenständigen Mann erscheinen zu lassen.
Ein Beispiel dafür liefert der Einstieg einer Rede, die Reagan vor Highschool Lehrern im Garten des Weißen Hauses gehalten hat. „Obwohl ich schon sehr lange mit der Schule fertig bin, fühle ich mich in der Gegenwart von so vielen Lehrern immer noch sehr unsicher.“ Dem mächtigsten Mann der Welt zittern die Knie, weil er vor einer Gruppe von Highschool-Lehrern spricht. Bodenständiger geht es kaum.
Auch in Deutschland gibt es Gelegenheiten, bei denen Politiker versuchen, lustig zu sein, vor allem bei Reden zum politischen Aschermittwoch in Bayern und anderen Bundesländern. Doch die Gelegenheit, einmal wirklich witzig zu sein, wird hier von den Rednern meist vertan. Stattdessen versuchen sie, durch Krawallreden das Publikum bei Laune zu halten. Doch auch diese Reden haben das Ziel, Spitzenpolitikern zu Bodenständigkeit und Volkstümlichkeit zu verhelfen.
Neben dem Hervorheben von Bodenständigkeit dient der Humor in politischen Reden auch dazu, Angriffe gegen den politischen Gegner mit einer gewissen Eleganz zu führen oder abzuwehren. Dem Angreifer erlaubt der Humor, auf Schwächen des Gegners herumzureiten, ohne dabei allzu aggressiv oder unsympathisch zu wirken.
Richtig dosiert, ist der Humor eine gesellschaftlich anerkannte Form, in der ein Kandidat negativ über seinen Gegenkandidaten sprechen kann, ohne dass er dabei Gefahr läuft, selbst an Sympathie einzubüßen.
Auch hier lässt sich als Beispiel eine Rede von Ronald Reagan anführen. Reagan hatte nicht nur ausgezeichnete Berater in Sachen Humor, er war auch von Natur aus ein witziger Typ. Im Wahlkampf des Jahres 1980 trat er gegen den amtierenden Präsidenten Jimmy Carter an. Um dem Amtsinhaber persönlich die Verantwortung für die schwierige Wirtschaftslage zuzuschieben, wählte Reagan folgende Formulierung: „Rezession ist, wenn Sie ihren Job verlieren. Aufschwung ist, wenn Jimmy Carter seinen Job verliert.“
Auch der neuseeländische Politiker Maurice Williamson weiß eine Pointe gezielt einzusetzen, um auf sympathische Art messerscharfe Argumente vorzutragen.
In einer Debatte über die Legalisierung der Ehe gleichgeschlechtlicher Partner berichtete er vor dem neuseeländischen Parlament von einem katholischen Priester, der ihm vorgeworfen habe, mit seiner Zustimmung zur Homo-Ehe unterstütze er ein unnatürliches Gesetz. Das sei sehr interessant, sagte Williamson in seiner Rede. Schließlich komme das Argument von einem Mann, der geschworen habe, bis an sein Lebensende auf Sex zu verzichten.
Der Priester habe ihm auch gesagt, wenn er für das Gesetz stimme, werde er in alle Ewigkeit im Fegefeuer brennen. Williams, studierter Physiker, rechnete dem Parlament daraufhin vor, dass ein Mensch mit seinem Körpergewicht nicht so lange brennen könne. Er schätze die Temperatur des Fegefeuers auf etwa 5000 Grad. Sein Körper verbrenne darin in genau 2,1 Sekunden.
Doch Humor eignet sich nicht nur, um Angriffe zu führen, sondern auch, um sie abzuwehren. So lässt sich ein Vorwurf in Bezug auf einen persönlichen Makel mit Humor elegant aus dem Weg räumen.
Geht der Angegriffene direkt auf den Vorwurf ein, läuft er Gefahr, dem Angriff dadurch zusätzliche Beachtung zu verschaffen. Humor hingegen kann selbst sensibelste Vorwürfe entkräften.
Der Demokrat Adlai Ewing Stevenson war US-Präsidentschaftskandidat im Wahlkampf des Jahres 1956. Vor der Wahl wurde das Gerücht gestreut, Stevenson sei homosexuell. In den 50er-Jahren wäre das Eingeständnis von Homosexualität ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg ins Weiße Haus gewesen.
Unabhängig von der Frage, ob Ewing homosexuell war oder nicht: Ein Kandidat hatte damals nicht die Möglichkeit, die Diskussion mit einem „Ich bin schwul und das ist gut so“ zu beenden, wie einst Klaus Wowereit.
Stevenson hatte nur wenige Optionen: Er hätte sich öffentlich gegen die Behauptungen zur Wehr setzen können. Allerdings hätte das den Gerüchten gleichzeitig zusätzliche Nahrung gegeben. Eine Klage vor einem Gericht hätte denselben Effekt gehabt und außerdem zu lange gedauert.
Stevenson entschied sich, einen Gag-Schreiber auf das Problem anzusetzen. Das Ergebnis war eine Formulierung, die Stevenson daraufhin in viele seiner Wahlkampfreden einbaute: „Präsident Eisenhower und ich haben eine Vereinbarung: Wenn er aufhört, Lügen über mich zu verbreiten, werde ich aufhören, die Wahrheit über ihn zu sagen.“
Dazu ein weiteres Beispiel aus der Gegenwart: 2015 erschien in Großbritannien ein Buch, das ich unter anderem mit der Studienzeit von David Cameron beschäftigt. In dem Buch behauptet der Autor, Lord Michael Ashkroft, der spätere Premierminister habe in seiner Studienzeit in Oxford an verwerflichen Ritualen teilgenommen. Dabei habe er zum Beispiel einem toten Schwein seine Sexualorgane ins Maul gehalten habe.
Ob wahr oder nicht: Unappetitlich war die Sache auf jeden Fall. Doch vermutlich stieß die Angelegenheit in der britischen Presse gerade deswegen auf großes Interesse. Der Skandal gelangte schließlich zu dem Namen Piggate – in Anlehnung an den Watergate-Skandal, der in den 70-er Jahren US-Präsident Richard Nixon das Amt gekostet hatte.
Auch wenn Piggate David Camerons Position wohl niemals ernsthaft in Gefahr bringen konnte, stellte sich für den Premierminister dennoch die Frage, wie er mit dem Skandal umgehen sollte. Sollte er sich zu den Vorwürfen äußern oder schweigen?
Eine Stellungnahmen hätte den Vorwürfen zusätzliche Aufmerksamkeit verschafft. Schweigen zu Anschuldigungen wird in der Öffentlichkeit jedoch oft so interpretiert, dass an dem Skandal möglicherweise doch etwas dran sein muss: Warum sollte der Betroffene sonst ein Problem damit haben, etwas dazu zu sagen?
Den Ausweg aus der Misere bietet oft eine Joke und genau dafür entschied sich David Cameron. In seiner Rede bei einem Parteitag der Konservativen sagte der Regierungschef:
„I was a hooker. And by the way that’s a factual statement“.
Dazu muss man wissen, dass das englische Wort „hooker“ mehrere Bedeutungen haben kann. Zum einen ist es eine nicht ganz feine Bezeichnung für Prostituierte. Zum anderen bezeichnet „hooker“ auch eine Spielerposition beim Rugby. Es ist die Position, auf der Cameron während seiner Studienzeit als aktiver Rugby-Spiele gespielt hat.
Cameron macht hier also folgendes: Er zeigt der Öffentlichkeit, dass er kein Problem damit hat, das Thema Piggate offen anzusprechen. Er signalisiert mit seinem kleinen Wits aber auch, dass das Thema auf seiner Agenda keine Priorität hat, dass es ihm bestenfalls einen witzige Bemerkung wert ist.
Humor ist im politischen Schlagabtausch ein extrem wirksames Mittel. Wie wirksam, das zeigt auch der Sieg von George W. Bush im US-Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 1999. Seine Mehrheit bei der Wahl führen viele Beobachter auch auf dessen Humor des Texaners zurück. Zu Beginn des Wahlkampfs stand Bush vor dem Problem, dass er im Vergleich zu seinem Rivalen, dem amtierenden Vizepräsidenten Al Gore, eher provinziell und ungebildet erschien.
Dann kam jedoch das Gerücht auf, Gore habe bei einem Wahlkampfauftritt behauptet, das Internet erfunden zu haben. Böse Zungen behaupten, das Gerücht sei von Bushs Wahlkampfteam selbst gestreut worden.
Wie auch immer: Bush war klug genug, seinem Gegner diese offensichtlich falsche Behauptung nicht direkt vorzuwerfen. Schließlich wollte er nicht als Besserwisser erscheinen.
Er entschied sich daher für die humorvolle Variante. Ab sofort präsentierte er viele seiner eigenen politischen Ideen mit der Einleitung: „Ich habe zwar nicht das Internet erfunden, aber auch ich habe gute Ideen.“
Von US-Präsidenten erwartet die amerikanische Öffentlichkeit mittlerweile ganz selbstverständlich, dass sie ihrem Publikum einen gewissen Unterhaltungswert bieten. Egal ob beim Korrespondentendinner im Weißen Haus oder bei Auftritten in Talkshows von Jay Leno und anderen: Stets muss der Präsident einen lockeren Spruch auf den Lippen haben.
Doch wie kommen die US-Politiker an ihre Witze? Wer denkt, amerikanische Präsidenten seien einfach lustige Typen, der liegt falsch. Absurd ist auch die Vorstellung, dass Barack Obama spätabends im Oval Office am Schreibtisch sitzt und über ein paar lustige Bemerkungen für seinen Talkshow-Auftritt am kommenden Abend bei Jimmy Fallon brütet.
Weil Humor ein rhetorisches Mittel von solcher Wirkung ist, sind in der amerikanischen Politik professionelle Redenschreiber auf dieses Thema spezialisiert. Seit Franklin D. Roosevelt soll jeder amerikanische Präsident mindestens einen Gag-Schreiber in seinem Redenschreiberteam beschäftigt haben.
Witze für den Präsidenten und andere Politiker zu schreiben, ist in den USA längst zu einem heiß umkämpften Markt geworden. Peggy Norman hat ihre Arbeit als Gag- und Redenschreiberin für Ronald Reagan einmal folgendermaßen beschrieben:
Der Kampf um die Gedanken und Worte des Präsidenten wird ähnlich geführt wie die Stellungskriege um die Schützengräben des Ersten Weltkriegs: „Selten zuvor haben so viele so hart um solch ein karges Land gekämpft.“
Wie man eine lustige Trauzeugenrede schreibt, lesen Sie im siebten Teil der Artikelserie „Reden mit Humor“:
- Reden mit Humor (Teil 1) Wann, wie und von wem Humor in einer Rede verwendet werden sollte
- Reden mit Humor (Teil 2) Die Humorformel: Was eine Rede lustig macht
- Reden mit Humor (Teil 3) Die fünf goldenen Regeln zum Gebrauch von Humor in Reden
- Reden mit Humor (Teil 4) Fünf Stellen in der Rede, wo Humor besonders effektiv eingesetzt werden kann
- Reden mit Humor (Teil 5) Anekdoten lustig erzählen
- Reden mit Humor (Teil 6) Humor in der politischen Rede
- Reden mit Humor (Teil 7) Die lustige Trauzeugenrede
- Reden mit Humor (Teil 8) Reden zum Politischen Aschermittwoch
- Reden mit Humor (Teil 9) Die lustige Hochzeitsrede des Brautvaters
- Reden mit Humor (Teil 10) Die lustige Hochzeitsrede des Bräutigams
- Reden mit Humor (Teil 11) Humorvolle Formulierungen für Reden zu Silber- und Goldhochzeiten
- Reden mit Humor (Teil 12) Witzige Rede zur Weihnachtsfeier im Unternehmen
- Reden mit Humor (Teil 13) Humorvolle Rede zum Studienabschluss
- Reden mit Humor (Teil 14) So schreiben Schüler witzige Reden zum Abitur